Zöliakie – ganz einfach zu Hause testen?

Zöliakie als eine chronische und immunologische Erkrankung des Dünndarms ist Ihnen bekannt. Das strikte Einhalten einer glutenfreien Ernährung ist derzeit die einzige „Heilung“, und daher zwingend erfordert für die Betroffenen. Gluten (= „Klebereiweiß“) befindet sich in üblichen Getreidesorten wie Weizen, Dinkel, Grünkern, Roggen und Gerste sowie in Einkorn, Emmer und Kamut und daraus hergestellten Produkten wie Brot, Nudeln, Saucen.  Wichtig zu wissen für die Betroffenen. Besonders, da auch „kontaminierte“ Lebensmittel oder Lebensmittel, die Spuren von Gluten aufweisen (> 20 ppm), für Menschen mit Zöliakie in keinem Fall geeignet sind. Glutenbelastung muss also für Zöliakiebetroffene vermieden werden – am besten durch frühzeitige Diagnostik.

Die aktuelle Leitlinie (Felber et al., S2k-Leitlinie Zöliakie, 2021) sieht in jeder Problematik im Zusammenhang mit länger anhaltenden Beschwerden im GIT einen Anlass, eine Antikörperbestimmung vorzunehmen. Die Serologie (tTG-IgA) erhält mittlerweile den Vorrang, und macht bei entsprechend hohen Laborparametern eine Biopsie fast unnötig. Folgen einer Glutenbelastung bei Zöliakieerkrankten, von Malassimilation bis hin zur Belastung für das Immunsystem, zu vermeiden, ist das Gebot der Stunde. Das gelingt neuzeitlich scheinbar auch un-blutig – mit so genannten Heimtests? Kann man Zöliakie mit modernen „Test-Kits“ diagnostizieren – und damit den Besuch bei Ihnen als Arzt bzw. Ärztin charmant umgehen?

„Let’s test the Kits“

Es tauchen vermehrt ZUHAUSE-Test-Kits in Drogerien, Onlineshops und Apotheken auf, die eine Glutenunverträglichkeit zu Hause nachweisen wollen. Doch halten sie auch das, was sie versprechen? Nicht nur der Kostenfaktor ist hier fragwürdig (9,95.- Euro bis 55.- Euro), sondern auch ungenaue Ergebnisse. Einige dieser Heimtests, die angeboten werden, empfehlen (in Kleindruck), dass für eine sichere Diagnose eine Dünndarmbiopsie entscheidend sei und: Um eine endgültige Diagnose zu erhalten, suchen Sie Ihren Arzt auf. Hier wird deutlich, eine valide Diagnostik ist mit einem solchen Heim-Test nicht erreichbar.

Im Test-Kit ist mit einer Schritt-für-Schritt-Gebrauchsanweisung enthalten: Testkassette, Stechhilfe zur Blutabnahme, Glaskapillarröhrchen, Gefäß mit Probenverdünnungspuffer, Alkoholtupfer, Pipette und Pflaster. Durch viele Corona-Test scheinen die Menschen auf solche Tests programmiert, und wähnen sich als Experte der Untersuchung und Auswertung der Ergebnisse. Die Gebrauchsanweisung mancher Tests verkündet: Zur Auswertung des Ergebnisses bestimmen Sie zunächst, ob im Testfenster unter (C) eine Linie zu sehen ist. Es ist unerheblich, wie stark oder schwach die Kontrolllinie ausgeprägt ist.” Wie bitte?

Problem: Durch ein mögliches, falsch positiv ermitteltes Heim-Ergebnis vermeiden Menschen unnötig glutenhaltige Lebensmittel und Speisen. Das hat Folgen. Eine tatsächlich bestehende Zöliakie kann damit nicht mehr valide diagnostiziert werden, eine Antikörperbestimmung ist unter glutenfreier Ernährung nicht aussagekräftig und spiegelt möglicherweise „Gesundheit“ vor. Ungeeignet aus unserer Sicht auch für die Tester*innen: unnötige Mehrkosten für glutenfreie Produkte und ggf. Entstehung einer Obstipation durch die Wahl ballaststoffarmer, glutenfreier Ersatzprodukte.

Was wäre gut?

Die Prävalenz der Zöliakie in Deutschland liegt nach Expertenangaben bei 1 : 250, weltweit bei 1 : 1000 bis 1 : 2000. Die Daten zeigen große regionale Unterschiede, und das mag manchmal der Grund zu sein, warum die Diagnostik einer Zöliakie erst spät erfolgt (eine der ältesten Patientinnen mit Erstdiagnose Zöliakie bei uns in der Praxis war 75 Jahre 😊). Menschen mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind aufgewühlt und trachten danach, Ursachen für ihre Beschwerden zu finden. Sie scheinen daher aufgeschlossen, besonders wenn Ärztinnen und Ärzte nicht „rasch“ auf die Diagnostikschiene reagieren (wollen), sich selbst zu testen – wenn es denn sein muss mit solchen Heim-Tests. Ehrlicherweise ist damit keinem gedient, werden den Betroffenen mit Beschwerden, noch Ihnen und uns.

Gut wäre aus ernährungstherapeutischer Sicht, die Beschwerden der Ratsuchenden ernst zu nehmen, sie aufzuklären und sie einer optimalen Diagnostik zuzuführen. Wir tun dazu, was wir können.

Fazit

Wir empfehlen Ihren und unseren Ratsuchenden und potenziell Betroffenen, innerhalb der drei Monate vor Antikörperbestimmung und Biopsie, glutenhaltige Lebensmittel nicht zu eliminieren. Nur so kann eine sichere und schnellere ärztliche Diagnose eingeholt werden.

Nach einer positiven Diagnose einer Zöliakie sind wir mit einer qualifizierten und mit der Leitlinie geforderten Ernährungsberatung an der Seite der Betroffenen. Mit negativem Befund erläutern wir gerne, wie durch glutenarme, nicht -freie Ernährung manche Beschwerden im Darm verringert werden könnten, wenn es notwendig ist.

 

Birgit Blumenschein, Diätassistentin/Dipl. Medizinpädagogin

Aydan Özer, Diätassistentin

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